von Jutta Engels
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23. Januar 2025
Das Amtsgericht München hat am 13.11.2024 (Az. 569 F 9511/24) einen Beschluss über den Entzug des elterlichen Sorgerechts aufgehoben und mit Beschluss vom 07.01.2025 (Az. 569 F 9549/24) auch das Hauptsacheverfahren für erledigt erklärt. Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die oft schwierige Balance zwischen staatlicher Eingriffsgewalt und den verfassungsrechtlich geschützten Rechten der Eltern. Hintergrund des Verfahrens Im September 2024 war den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den sechsjährigen Sohn nach Inobhutnahme durch das Jugendamt und Anrufung des Familiengerichts gemäß §§ 8 a SGB VIII, 1666 BGB entzogen worden. Das Jugendamt begründete die Maßnahme – neben unsubstantiierten Gewaltvorwürfen – im Wesentlichen damit, dass das Kind starke Entwicklungsverzögerungen aufweise und von den Eltern nicht ausreichend gefördert werden könne. Der Entzug führte zur Unterbringung des Kindes in einer Jugendhilfeeinrichtung. Mit dem Vortrag, dass die Eltern im Vorfeld stets kooperativ mit dem Jugendamt zusammengearbeitet und eine ambulante Erziehungshilfe beantragt hatten, die allerdings nicht genehmigt worden war und eine weitergehende Diagnostik zu den bei dem Sohn vorliegenden Entwicklungsverzögerungen durch die Eltern in die Wege geleitet wurde, wurde dem Vorbringen des Jugendamts im Verfahren entgegen getreten. Maßgeblicher Gesichtspunkt war aus Elternsicht, dass die Vorwürfe des Jugendamts zum einen haltlos waren und zudem das Kindswohl nicht dadurch gefährdet werde, dass die Eltern selber auf Unterstützung angewiesen seien, um dem Kind eine bestmögliche Förderung zu teil werden zu lassen. Diese Hilfe sei ihnen verwehrt worden. Der Umgang und die Beziehung der Eltern mit dem Kind war zudem augenscheinlich innig und liebevoll. Eine Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt mit Unterstützung durch ambulante Hilfen sei ausreichend, um das Wohl des Kindes sicherzustellen. Entscheidung des Gerichts Das Gericht stellte fest, dass eine Herausnahme des Kindes aus der Familie den schwerwiegendsten Eingriff in das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG darstellt. Eine solche Maßnahme sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Wohl des Kindes im familiären Umfeld nachhaltig gefährdet ist. Dies war im vorliegenden Fall nicht (mehr) gegeben. Das Gericht konnte sich im Rahmen der Anhörung vom starken emotionalen Band zwischen den Eltern und dem Kind überzeugen. Dies sei ein bedeutender Faktor für die Rückführung. Die Eltern hätten durch ihr Verhalten und die Inanspruchnahme von Unterstützungs-maßnahmen gezeigt, dass sie zur Sicherstellung des Kindeswohls bereit sind. Eine stationäre Unterbringung des Kindes sei nur gerechtfertigt, wenn eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung vorliegt. Fehlende "Optimierung" oder suboptimale Förderbedingungen rechtfertigten keinen solchen Eingriff. Das Gericht betonte, dass es nicht die Aufgabe des Staates sei, für eine „bestmögliche Förderung“ zu sorgen, sondern lediglich nachhaltige Gefährdungen abzuwenden. Die Aufhebung des Beschlusses führte dazu, dass die Eltern wieder vollständig für die Pflege und Erziehung ihres Kindes verantwortlich sind. Das Gericht wies allerdings darauf hin, dass die Eltern weiterhin eng mit Fachstellen zusammenarbeiten und Hilfsangebote annehmen müssen, um die Förderung und Entwicklung des Kindes zu gewährleisten. Die Aufhebung der im Eilverfahren getroffenen vorläufigen Entscheidung bestätigte sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens ((Az. 569 F 9549/24) nach Einholung eines familienpsychologischen Kurzgutachtens, welches den Vortrag der Eltern im Wesentlichen bestätigte. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig eine ausgewogene Abwägung zwischen Kindeswohl und Elternrechten ist. Die Verfassung gibt den Eltern das Recht, ihre Kinder zu erziehen, auch wenn dies mit Herausforderungen verbunden ist. Der Staat darf nur dann eingreifen, wenn tatsächlich eine nachhaltige Gefährdung vorliegt. Gleichzeitig wird deutlich, wie entscheidend die Kooperation der Eltern mit Fachstellen ist, um eine tragfähige Lösung zum Wohl des Kindes zu gewährleisten. Foto: pexels.com markusspiske